Ein Esstisch, auf dem man kochen und im Internet surfen kann? Ein Kühlschrank, der selbstständig eine Einkaufsliste mit den fehlenden Zutaten für ein Rezept zusammenstellt? Unterwegs über das Smartphone mal eben nachgucken, ob man zu Hause auch wirklich den Herd ausgemacht hat? Das sind konkrete Beispiele für die sogenannte „Industrie 4.0“, die vierte industrielle Revolution, die Wirtschaft und Alltag grundlegend umgestalten wird. Dies wurde bei der Veranstaltung „Industrie 4.0 in der Südwestpfalz“ der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Südwestpfalz deutlich, die am 10. Dezember 2014 im Berufsbildungszentrum der DVAG in Zweibrücken in Kooperation mit dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie sowie dem Europäischem Sozialfonds stattfand.
Wirtschaftsförderung sichert den Betrieben Unterstützung zu
Mehr als 40 Teilnehmer aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft informierten sich über die Chancen der neuen Technologien. Miriam Heinrich, die Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Südwestpfalz, unterstrich, dass nicht nur die Industrie, sondern auch das Handwerk, der Handel und der Dienstleistungsbereich von der Umwälzung betroffen seien. Das biete durchaus positive Perspektiven: „Bisher stellten individuelle Kundenwünsche einen erheblichen Kosten- und Zeitaufwand für die Unternehmen dar. In einer intelligenten Fabrik wird dies zukünftig nicht mehr der Fall sein. Die digitale Vernetzung und der Einsatz neuester Software werden bei geringem Aufwand ein schnelles Umsetzen der Kundenbedarfe ermöglichen.“ Die heimische Wirtschaft bilde die Basis des Landkreises Südwestpfalz. „Daher ist es mein Anliegen als Wirtschaftsförderin, die ansässigen Unternehmen auf dem Weg zur digitalen Vernetzung zu begleiten, ihnen neue Chancen aufzuzeigen und ihren Fachkräftebedarf zu sichern“, erklärte Heinrich. Sie stellte das Projekt „Offensive für den Strukturwandel in der Südwestpfalz“ vor, mit dem die Region seit Jahresbeginn durch den Europäischen Sozialfonds finanziell gefördert werde. „Im Rahmen dieses ESF-Projektes beabsichtigen wir, Strategien zu entwickeln, um neben der sich verschärfenden Fachkräfteproblematik auch auf die technologischen Neuerungen der Zukunft reagieren zu können“, kündigte Heinrich an. Ein wesentlicher Schritt hierbei werde auch die Vorbereitung zur Entstehung eines Kompetenzzentrums zur Industrie 4.0 sein, das als Anlaufpunkt für alle Betriebe der Südwestpfalz dienen solle.
Die gesamte Zuliefererkette wird von dem Wandel erfasst
Prof. Dr.-Ing. Martin Eigner, Leiter des Lehrstuhls für Virtuelle Produktentwicklung an der Technischen Universität Kaiserslautern, referierte zum Thema: „Industrie 4.0 – neue Produkte und Dienstleistungen. Auswirkungen auf Geschäftsmodelle und -prozesse.“ Er legte dar, dass Industrie 4.0 auf einer Reihe technologischer Neuerungen basiere wie Breitbandnetze, Cloud, Massendatenspeicher, Big Data und Business Analytics sowie preisgünstigere und intelligentere Sensoren. Das Internet der Dinge und Dienste biete neue Chancen für den Mittelstand und das Handwerk im Bereich der Dienstleistungen. Prof. Dr. Eigner riet den Unternehmen, aktiv auf die Kunden zuzugehen. Die neuen Geschäftsmodelle hätten Auswirkungen auf die gesamte Zuliefererkette. Er prognostizierte, dass der Digitalisierungsgrad der Produkte innerhalb der nächsten fünf Jahre von 29 auf 79 Prozent steigen werde. „Der Service, die Nutzer und die Lieferanten werden sich verändern müssen“, unterstrich er. Mehr interdisziplinäres Denken und eine engere Kommunikation seien notwendig. Als zukünftige Herausforderungen benannte er Standardisierungen, Produkthaftung und Sicherheit.
Chancen auch für den ländlichen Raum
Auch Markus Wessel, Geschäftsführer bei ExperConsult Wirtschaftsförderung & Investitionen GmbH & Co. KG, plädierte in seinem Vortrag mit dem Titel „Digitale Vernetzung als Chance für die Zukunft“ für mehr Zusammenarbeit zwischen einzelnen Wirtschaftsbereichen: „Digitale Vernetzung ohne eine persönliche Vernetzung von Unternehmen wird nicht funktionieren.“ Als Beispiel führte er den bereits erwähnten innovativen Esstisch an, der interdiszplinär entwickelt worden sei. Auch das Handwerk könne von dem Wandel profitieren: „Die ganzen Vernetzungen müssen im Haus eingebaut werden.“ Dazu seien entsprechend qualifizierte Fachkräfte vonnöten. Doch nicht jede Neuerung sei sinnvoll. „Beachten Sie nicht nur die technischen Möglichkeiten, sondern insbesondere die Kundenbedürfnisse!“, riet Wessel. Die Wirtschaftsförderungen könnten bei der Anpassung an die zunehmende Vernetzung hilfreiche Ansprechpartner sein. Und auch für ländliche Regionen böten sich viele Möglichkeiten; als Beispiel führte der Referent Ostwestfalen-Lippe an mit der vorbildlichen Initiative „it’s OWL“. Sein Fazit: „Die digitale Revolution verändert Märkte und schafft Chancen.“
Hier finden Sie die Vorträge der Referenten: